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„Dynamo muss seine Kamikaze-Politik aufgeben“
Im Streit um die Kosten für das Fußball-Stadion wirft Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) dem Verein überzogene Forderungen vor.
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Dresdens Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) wirft Dynamo in der Stadionfrage überzogene Forderungen vor. Nach den Berechnungen des Kämmerers wird der Verein lediglich mit 312 000 Euro mehr belastet. Foto: Jörn Haufe
Herr Vorjohann, Dresden und Dynamo streiten um die Kosten für das Fußball-Stadion. Wie rechnet die Stadt?
Wir können die Zahlen bestätigen, die Dynamo präsentiert hat. Das Stadion kostet den Verein pro Saison zirka zwei Millionen Euro. 25 000 Euro Grundmiete plus 22 Prozent der Ticketeinnahmen pro Spieltag ergeben abhängig von der Zuschauerzahl rund 1,1 Millionen Euro. Hinzu kommen 835 000 Euro aus der Vermarktung, die an die Stadionprojektgesellschaft gehen.
Aber?
Es gibt auch eine andere Seite der Medaille, nämlich die gestiegenen Einnahmen aus dem Kartenverkauf und der Vermarktung. Dadurch bleibt lediglich eine Differenz von etwa 312 000 Euro zuLasten des Vereins.
Dynamo kommt auf ein Minus von 1,5 Millionen Euro. Wo liegt der Rechenfehler?
Das ist kein Rechenfehler, sondern eine Darstellungsfrage. Dynamo berechnet die Abgaben und blendet aus, dass der Verein mit dem Stadion mehr Geld verdient. Der Brutto-Belastung von zwei Millionen Euro steht eine Brutto-Entlastung von rund 1,7 Millionen gegenüber.
Warum haben Sie die Dynamo-Führung nicht früher mit dieser Sichtweise konfrontiert?
Wir haben den Verein mehrfach auf die Einnahmeseite hingewiesen, zum ersten Mal im November, und gesagt, dass die Kosten in Zusammenhang mit den Erlösen gesetzt werden müssen. Es hätte sicher auch jetzt eine weitere Verhandlungsrunde gegeben, aber Herr Bohne hat vorige Woche eine Pressekonferenz gegeben und öffentlichen Druck aufgebaut.
Die Pressekonferenz soll mit Ihnen abgestimmt gewesen sein.
Herr Bohne *) hat uns zwei Tage vorher informiert. Da war aber unser aktuelles Zahlenmaterial noch nicht fertig.
Wieso konnte der Zeitdruck entstehen? Seit einem Jahr ist klar, dass das Thema erneut grundsätzlich verhandelt werden soll. Fehlte im Rathaus der politische Wille, wie Ralf Minge seinen Rücktritt als Dynamo-Sportdirektor begründet hatte?
Nein. Wir haben uns seit Herbst vergangenen Jahres gemeinsam mit Dynamo, der Projektgesellschaft und dem DFB sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt. Das Problem ist schlicht, dass es keine Einigung gab.
Aber der Verein muss bis zum 1. März die Unterlagen für die Lizenz einreichen.
Wir haben Dynamo in den Verhandlungen Beträge offeriert, aber die waren dem Verein zu wenig. Er hat auf den 1,5 Millionen bestanden und erklärt: Die Stadt muss uns das Geld geben, sonst sterben wir. Mal abgesehen davon, dass ich es aus Marketingaspekten für problematisch halte, mit der Insolvenz zu argumentieren: Das ist keine Verhandlungshaltung.
Fühlen Sie sich erpresst?
Das ist eine typische Strategie, auch Gewerkschaften handeln mitunter so: Entweder wir bekommen mehr Lohn oder es gibt Streik. Da werden Drohkulissen aufgebaut. Wir haben ein Angebot gemacht, das deutlich unterhalb der Erwartung von Dynamo lag. Und die gehen jetzt aufs Ganze.
Wie hoch war dieses Angebot?
Das sage ich Ihnen nicht.
Lag es über der Summe, die Sie jetzt errechnet haben?
Das sage ich Ihnen auch nicht. Ich will Verhandlungen nicht über die Presse führen. Der Stadtrat wird sich mit dem Thema beschäftigen.
In der Sitzung am 25. Februar?
Wir haben die Situation zunächst im Finanz- und Sportausschuss erläutert, weil es keine Einigung mit Dynamo gab. Die Stadträte verlangen Aufklärung.
Dynamo muss Zuschauereinnahmen und Werbeerlöse an die Projektgesellschaft abführen. Hat die Stadt Dynamo zur Finanzierung des Stadionneubaus verkauft?
Die Verträge sind so aufgestellt, dass die Projektgesellschaft wirtschaftlich stabil steht. Wenn sie in die Insolvenz gehen würde, fallen 40 Millionen Euro Kredit direkt an die Landeshauptstadt Dresden. Man kann über die Verteilung zwischen Projektgesellschaft und Verein sicher diskutieren, aber für uns als Stadt wäre das ein Nullsummenspiel: Was Dynamo mehr bekommt, müssten wir an die Projektgesellschaft zahlen.
Dynamo kommt für die Abzahlung eines Kredites auf, obwohl dem Verein das Stadion nicht gehört. Ist das legitim?
Noch übernimmt die Stadt den Kapitaldienst zu hundert Prozent. In der nächsten Saison würde Dynamo etwa 20 Prozent mit bezahlen, aber das ist normal. In jeder Miete ist ein Anteil für den Kapitaldienst berechnet. Es gibt noch einen wichtigen Aspekt: Im Gegensatz zu anderen Städten hat Dresden das Stadion ohne Fördermittel von Bund oder Land gebaut.
Das ist wohl nicht Dynamo anzulasten, sondern lag an der zögerlichen Haltung der Stadt beim Stadionneubau. So wurde unter anderem die Chance verpasst, Spielort der Fußball-WM 2006 zu sein.
Das Argument verstehe ich, aber man muss es relativieren. Für ein WM-taugliches Stadion wären wir mit den Beträgen, über die wir jetzt reden, nicht zurechtgekommen. Es ist zudem müßig, darüber zu diskutieren, denn die Geschäftsgrundlage für die aktuelle Situation ist vor drei Jahren politisch entschieden worden: Die Stadt bürgt für einen Kredit von 40 Millionen und zahlt darüber hinaus Investitionen und Zuschüsse. Das sind mittlerweile insgesamt zwölf Millionen. Das alles war Dynamo von Anfang an bekannt. Ich habe damals nicht einmal ein leises „Nein“ gehört.
Wie viel kostet das Stadion die Stadt ohne Dynamo als den Hauptmieter?
Laut Vertrag 2,67 Millionen Euro, eine halbe Million mehr als heute.
Könnte die Projektgesellschaft ohne Dynamo überleben?
Wenn das Stadion eingemottet wird: Ja. Dann lacht die Republik, aber wirtschaftlich wäre das so.
Wieso tut sich die Stadt so schwer, den Verein zu unterstützen?
Wir könnten es uns leicht machen und den Zuschuss um 1,5 Millionen Euro erhöhen, aber wir müssen uns vor dem Steuerzahler rechtfertigen. In der Wirtschaftskrise brechen die Steuereinnahmen brutal weg. Wir sind dabei, unser Investitionsprogramm, angefangen vom Straßenbau über Kindergärten und Schulen bis hin zum Breitensport, massiv zusammenzukürzen.
Wird Dynamo als Wirtschaftsfaktor unterschätzt?
So gesehen müssten wir bei jeder drohenden Insolvenz einspringen. Aber das ist nicht die entscheidende Frage. Wenn wir die geplante Belastung der Stadt durch das Stadion auf die nächsten zehn Jahre hochrechnen, sind wir bei ca. 40 Millionen Euro. Jetzt reden wir über weitere 1,5 Millionen jährlich. Das sind gigantische Beträge. Bei allem Respekt vor dem, was Dynamo in dieser Stadt repräsentiert, muss ein Stadtrat abwägen dürfen, wie viel Fußball sich die Stadt leisten kann.
Was erwarten Sie vom Verein?
Dass er von der Kamikaze-Politik wegkommt, die heißt: Wenn wir nicht 1,5 Millionen Euro bekommen, sind wir erledigt. Es wird sicher weiteres Geld geben müssen, wenn man den Verein fair behandelt, weil auch wir eine höhere Netto-Belastung (von 312 000 Euro /d. R.) errechnet haben. Die Frage ist: Wie viel darüber hinaus?
Drohen Leipziger Verhältnisse, wo zurzeit kein Verein im neuen Zentralstadion spielt?
Dazu ist meiner Meinung nach die wirtschaftliche und sportliche Kraft des Vereins zu gigantisch. Ich glaube nicht, dass man im Verein zulässt, kamikazehaft zu verglühen.
Das Gespräch führte Sven Geisler.
Die Initiative „Pro RHS“ lädt zu einer Diskussionsrunde am 24. Februar, 19 Uhr, in den Business-Bereich des Harbig-Stadions ein. Eingeladen wurden auch die Bürgermeister Hartmut Vorjohann und Winfried Lehmann.
*) Stefan Bohne ist Geschäftsführer bei Dynamo.